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Sprüche 14, 29

Wer geduldig ist, der ist weise; wer aber ungeduldig ist, der offenbart seine Torheit.“
(Sprüche 14, 29)


Liebe Leserinnen und Leser!
Eine Seite in mir kann und will es nicht mehr hören: Wir müssen geduldig sein. Die Corona-Pandemie, die Bedrohung, sie ist noch keineswegs vorbei. Das Virus ist immer noch da, da kommt noch was, die zweite Welle. Die Vorfälle und Erkrankungen im Kreis Gütersloh und Warendorf zeigen es uns: Wir müssen Ruhe bewahren und Abstand halten.
Eine Seite in mir tut sich schwer. Es ist doch Sommer da draußen. Die Sehnsucht ist da, dass das leichte und unbeschwerte Leben zurückkommt. Spontane Besuche, die Hände schütteln, Menschen in den Arm nehmen. Ich möchte nicht mehr geduldig sein. Ich wünsche mir, dass das Gute, das war, zurückkehrt.
Ich spüre meine Unrast und helfe mir mit Hintergrundgedanken: Geduldig sein fühlt sich an wie nichts tun zu können oder zu dürfen, aber das ist so nicht.
Was ist das, Geduld? Das dazugehörige Verb „dulden“ geht auf ein Wort zurück, das tragen, ertragen bedeutet. Also ist Geduld etwas tragen, auch ertragen können. Etwas tragen, das ist etwas sehr Aktives und kostet viel Kraft. Und weil sich gedulden Kraft kostet, ist es kein Wunder, dass wir die jetzige Zeit anstrengend finden, obwohl viele von uns weniger tun können als sonst. Wir müssen etwas ertragen, was wir nicht gewohnt sind und nicht wollen.
Eigentlich müssten glaubende Menschen sich ja mit der Geduld auskennen. In der Bibel wird sie oft erwähnt. Sie ist ein Zeichen von Reife und zugleich eine Frucht des Heiligen Geistes. Alle großen Kirchenfeste sind mit einer Zeit verbunden, die uns anleitet, geduldig zu warten: die Adventszeit vor Weihnachten, die Passionszeit vor Ostern. Und das große Fest steht noch aus, das Warten auf den Tag des Herrn, bis Jesus Christus einst wiederkommt und alles löst, was jetzt gebunden ist, alles gerade macht, was jetzt krumm und schief ist und alles, aufrichtet, was jetzt gebeugt und niedergedrückt wird.
Geduldig sein, warten bis Gott das Leben neu schenkt und Veränderung ermöglicht. Geduldig sein gehört zur Glaubenserfahrung dazu. Gott zuzutrauen, dass er wendet, was zu wenden nicht in unserer Macht liegt.

„Barmherzig und gnädig ist der Herr, geduldig und von großer Güte“
(Psalm 103,8)

Auch das ist eine Glaubenserfahrung: Wir sind darauf angewiesen, dass Gott selbst geduldig mit uns ist und bleibt, wenn wir auf Abwege geraten. Wenn wir uns also in Geduld üben müssen, ist das eine Übung, die uns auf Gottes Spuren bringt.
Geduldig sein fühlt sich an, wie nichts tun zu können oder zu dürfen. Dabei bedeutet sich gedulden etwas zu tragen.
Ich spüre eine Erleichterung, weil ich weiß, ich muss das nicht allein durchstehen. Anderen geht es auch so. Andere sind an meiner Seite und das Aussprechen mit denen, denen es genauso geht, hilft mir. Aussprechen geht auch mit Abstand oder mithilfe von Technik.
Ich helfe mir mit Hoffnung und Zuversicht.
Eines Tages wird sich mit Gottes Hilfe alles wenden. Eines Tages wird die Unbeschwertheit zurückkommen und dann wird alles gerade, was heute noch krumm und schief ist. Und dann wird alles neu aufgerichtet, was gebeugt und niedergedrückt wird. Gott sei Dank.

Ihre Pfarrerin Annette Schulz
August 2020