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Psalm 90, 12

Lehre uns bedenken,
dass wir sterben müssen,
auf dass wir klug werden.
Psalm 90, 12


So heißt es in Psalm 90, der uns Menschen an unsere Endlichkeit und Vergänglichkeit erinnert. Viele von uns geraten angesichts von Tod oder Sterben eher in Panik, Gefühle verwirren, Ängste kommen hoch – da verdrängen wir das Thema doch lieber – wir schweigen es „tot". Aber Angst ist ein schlechter Ratgeber: wie oft bleiben Familienangehörige im Ernstfall ratlos zurück. Plötzlich müssen sie entscheiden: wo soll z. B. der sterbenskranke Angehörige leben, wie soll er versorgt werden, wer soll seine finanziellen Angelegenheiten regeln und wer entscheidet über ärztliche Versorgung (Operationen, künstliche Ernährung u.v.m.)
Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen – das kann Mut machen, über diese ganz wichtige Lebensphase zu sprechen: wie möchte ich das letzte Stück meines Lebens leben?
Daneben gewinne ich aus dem Nachdenken über die Endlichkeit meiner Zeit ganz viel „Lebensweisheit": Ich lebe dann nicht nur einfach in den Tag hinein, in dem mir die Zeit unter den Händen zerrinnt, sondern ich fange an, mir bewusst zu überlegen, was ist für mich wichtig?
Welche Gaben sind mir (begrenzt) geschenkt, welche Beziehungen sind mir wichtig, welche Werte möchte ich gerne leben und weiter geben, woran sollen sich andere erinnern, wenn sie später an mich denken? Dadurch gehe ich auch mit Anforderungen und Stress anders um: was von dem, was andere oder ich selber von mir erwarten, ist wirklich wichtig? Wem gebe ich Macht über meine Zeit und mein Leben?
Paulus sagt, Leben, das den Tod und die Auferstehung ausblendet, kann eigentlich nur noch nach der Devise leben: „lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot". Dann müssten wir heute noch schnell alles genießen und alles haben und alles erreichen.
Deshalb geht ein Leben, das sich weigert, über seine Endlichkeit nach zu denken, oft über Leichen – am Ende über die eigene...an ps90 12
Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden. Diese Klugheit ist mehr als oberflächliches, kurzfristiges Schlau-Sein, mehr als raffiniertes Raffen. Sondern ein behutsames Lernen. Meine Zeit ist endlich, und in dieser Zeit habe ich ganz viele Gaben, mit denen ich das Leben gestalten kann. In dieser Zeit begegnen mir Menschen, die ich lieben darf. Und am Ende dieser Zeit geht sie ein in Gottes Ewigkeit.
Deshalb brauche ich keine Angst zu haben, sondern lebe mit ganz viel Gelassenheit. Weil ich auch über mein Lebensende hinaus bei Gott geborgen sein werde, kann ich ganz gelassen auch über meine Grenzen nachdenken, entscheiden, was wichtig ist und was Bedeutung haben soll. Nachdenken über meine Endlichkeit ist ein kluger Schritt hin zu bewussterem Leben!
Und dann, vielleicht auch zu allerletzt, wächst der Mut, auch die „letzten Dinge" zu regeln: woran sollen sich Menschen erinnern, wenn sie an mich denken, welche Lieder haben mich geprägt, welche Texte sind mir wichtig, wie und wo möchte ich begraben sein.
Lassen Sie sich im Monat November anregen, darüber nachzudenken und ins Gespräch zu kommen, vielleicht auch durch andere Texte, die Ihnen in dieser Ausgabe begegnen werden:
Der Brief einer Frau, den sie schon Jahre vor ihrem Tod für ihren Tod geschrieben hat – oder die praktischen Informationen zu Vorsorge- und Betreuungsvollmachten.

Heike Stijohann
Monatsspruch November 2012