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Evangelisch - reformierte Kirchengemeinde Bad Meinberg

Die Kirchenheizung

„Wenn ich den Ofen mit dem entsetzlich langen Rohr sehe, muß ich mich selber sehr ekeln. Und diese grünen Gewölbe. Die sehr alte, romanische Kirche ist nämlich nicht isoliert. Die Folge ist, dass die Feuchtigkeit des Bodens an den Wänden aufsteigt und sich in Gestalt von grünem Schimmel daran niederschlägt. Von Zeit zu Zeit nimmt der alte Oberkönig den Maurerquast und schafft wieder etwas Ordnung und Sauberkeit“.

Das schrieb im Winter 1924 Pastor Kottmeyer in seine Chronik.

Das Heizen der Kirche

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Winter 1924

Der 1898 für 206,- Mark angeschaffte Kirchenofen befand sich an der Stelle wo heute die Kanzel steht. Das lange Ofenrohr verlief durch den Kirchenraum bis zum Schornstein, der in der gegenüberliegenden Außenwand des neu errichteten Südflügels eingebaut war.

Das Ofenheizen für die Sonntagsgottesdienste übernahm zunächst die Witwe Langemann. Sie konnte sich so für 40 Pfennige pro Heiztag ein kleines Zubrot verdienen. Später übernahm den Heizdienst der Totengräber Lütkehus, der auch für das Bälgetreten der Orgel, Schneeräumen und die Grundstückspflege zuständig war. Wenn auch in der kalten Winterzeit der Ofen bis zu 50 Mal angeheizt werden musste, so schaffte er es doch nicht, die feuchte Kirche zu trocknen.

 

Sommer 1924

„Die Kirche ist bis auf den letzten Platz besetzt. Viele müssen wieder umkehren, was bei der geringen Größe der Kirche kein Wunder ist. Wenn das weiter so bleibt, müssen wir ernstlich überlegen, ob wir die Kirche nicht doch vergrößern und auch eine neue Heizung einbauen. Ob wir aber imstande sind, die dazu erforderlichen Mittel aufzubringen? Ich kann es mir kaum vorstellen; ist doch alles Barvermögen durch die Inflation so gut wie vernichtet“.

Trotzdem, die Erweiterung und Beheizung der Kirche stand fortan zur Beratung an. Es wurden Fachleute und der Lippische Landeskonservator hinzugezogen und zwecks Finanzierung ein Kirchenbaufonds angelegt.

„Um den Kirchenfonds zu vergrößern, halten wir jetzt an jedem kollektenfreien Sonntag eine Kollekte für den Neubau. Wir haben guten Erfolg damit; bis zu 50 Mark bringt uns bisweilen eine solche Kollekte. – Ein nettes Sümmchen bekamen wir für den Landverkauf an die Pesag, die für den Bau der Elektrischen Straßenbahn von Meinberg nach Blomberg im Butterberg von der Kirche Grund und Boden erworben hatte. Wir haben das Geld für den Kirchbau beiseite gelegt und uns jetzt entschlossen, eine moderne Grude Dauerheizung einzuplanen, die im Herbst angemacht wird und ohne Unterbrechung bis zum nächsten Frühjahr weiterbrennt“.

 

1927

Betriebsanleitung

Den Auftrag für die neue Heizung bekam die Firma Carl Wellen aus Düsseldorf, die für 2.332,- Reichsmark eine Umluft-Kirchenheizung mit Frischluftzuführung und regulierbaren Heizflächen – ein Deutsches Reichspatent – offeriert hatte. Und so beginnt die Beschreibung: „Durch Verwendung von billiger Grude oder Feinkohle können bis zu 50 % Heizkosten gespart werden. Die Heizungsanlage besteht aus drei übereinander liegenden Heizflächen. Das Brennmaterial wird auf die oberste Etage aufgegeben und rieselt durch die in den einzelnen Etagen befindlichen Löcher bis zur unteren Etage. Durch die versetzte Anordnung dieser Löcher bilden sich auf den einzelnen Etagen Kohlenkegelchen. Diese werden durch die von unten nach oben ziehende Verbrennungsluft in Glut gehalten. Die erwärmte Luft wird durch Kanäle geleitet und tritt durch ein Gitter vom Fußboden inmitten der Kirche aus. Die kalte Luft wird nach dem Schwerkraftprinzip durch ein ca. 3 Meter entfernt liegendes Gitter dem Ofen wieder zugeführt“.

Rechnung

In der Regel genügte eine einmalige Beschickung der Heizungsanlage pro Tag. Eine schweißtreibende und staubige Angelegenheit. Leider war der Lagerraum für den Brennstoffvorrat zu klein geraten. Die angelieferte Feinkohle füllte anfangs notgedrungen den gesamten Kellerzugang. Der Heizer musste sich auf allen Vieren wie ein Maulwurf über den Brennstoff bis zum Heizraum vorarbeiten. Noch mühsamer war das Herauskriechen mit einem gefüllten Aschenbehälter. Das änderte sich erst 1951 durch Vergrößerung des Kellers.

Das Anheizen im Herbst war eine Tortur. Aus Sicherheitsgründen wurde es meist zu zweit vorgenommen. Das Risiko einer Rauchvergiftung war zu groß. Bis der Qualm durch den noch kalten Schornstein abziehen konnte, füllte er stundenlang den Heizraum. Oft half nur ein tüchtiges Strohfeuer direkt im Schornstein für besseren Rauchabzug. Trockene Tannenbraken vom Weihnachtsbaum des Vorjahres und ein gut Bündel Holz brachten dann langsam die erste Lage Grude zum Glühen.

Das tägliche Nachschüren wurde sicherlich nie vergessen, damit ja der Ofen nicht wieder ausgeht. Es wurde berichtet, dass die besorgte Ehefrau des Heizers oft einen Buben mitschickte, der notfalls Hilfe holen konnte, sollte dem Vater da unten im Heizungskeller mal etwas passieren.

 

1930

Pastor Kottmeyer schreibt:

„Wir sind jetzt mit der Aufstellung unserer Baurechnung fertig und haben festgestellt, dass der Erweiterungsbau 50.000 RM gekostet hat. Hätte uns jemand vor Beginn diese Summe als erforderlich genannt, dann hätten wir niemals gewagt das Werk zu beginnen. Erfreulicherweise ist die Schuldenlast aber doch noch erträglich. Bis auf 11.000 RM haben wir alles aufgebracht. „Vom Herrn ist es geschehen, ein Wunder ist es in unseren Augen“. Bei vorsichtiger Finanzwirtschaft, denke ich, macht uns der Rest keine Schwierigkeiten und wird es uns gelingen, ihn in einigen Jahren auch noch abzustoßen. Und wenn die kommende Generation auch noch etwas daran zu tragen hat, dann ist es auch nicht schlimm“.

 

1966

Nach 38 Jahren hatte die Heizungsanlage endgültig ausgedient. Sie entsprach längst nicht mehr den bauaufsichtlichen Bestimmungen. Jetzt wurde nicht nur der Einbau einer modernen Kirchenheizung in Angriff genommen, sondern auch gleichzeitig eine Erweiterung des Südflügels der Kirche mit größerer Empore für eine neue Orgel und von Toiletten im Keller. Die Finanzierung machte diesmal keine so großen Sorgen wie damals. Steigendes Kirchensteuer-Aufkommen und ein nettes Sümmchen aus Landverkauf konnten für die Baumaßnahmen sinnvoll investiert werden.

Die Entscheidung fiel auf eine gasbefeuerte Warmluftheizung, thermostatgesteuert, umweltfreundlich, staubfrei. Bedienungskosten entfielen, die bei der alten Heizung immerhin pro Heiztag mit einer Stunde und das Anheizen sogar mit acht Arbeitsstunden zu Buche schlugen. Zunächst mussten große Brechereien für einen Gasanschluss und für die Verlegung von zusätzlichen unterirdischen Warmluftkanälen in allen vier Teilen der Kirche in Kauf genommen werden. Per Knopfdruck sprang die Heizung an. Ein Warmluftgebläse sorgte für schnelles und gleichmäßiges Aufheizen, und das auch an kühlen Tagen das ganze Jahr über. - Der alte hässliche Schorn-stein, der sich ausgerechnet über dem Haupteingang störend aus dem Kirchendach erhob und das Auge manchen Besuchers beleidigte, konnte verschwinden. Der neue Abgaskamin fügt sich jetzt harmonisch in den Dachfirst ein.

 

1990

Nach 24 Jahren zeigten sich auch an dieser Heizung Verschleißerscheinungen. Im Jahre 1990 wurde die Anlage durch Austausch des Heizkessels auf den neuesten technischen Stand gebracht. Den Knopfdruck für das Ein- und Ausschalten übernimmt jetzt eine automatische Schaltuhr, die nach den jeweiligen Bedürfnissen programmiert werden kann. Ohne störende Nebengeräusche wird die Kirche langsam und für Orgel und Mauerwerk schonend aufgeheizt. Eine Automatik meldet, wenn die Staubfilter ausgetauscht werden müssen. Rationeller geht´s nicht mehr.

Georg Stritzke