Das Kreuz an der Kanzel, die Kerze auf dem Tisch, österlicher Blumenschmuck, die Schrift aufgeschlagen, eine Einladung zum Lesen, zur Freude – bald ist Ostern.
Und dazwischen - fast unsichtbar – die Dornenkrone.
Das Kreuz ist leer, Christ ist erstanden. Das Licht hat die Finsternis besiegt. Die Blumen feiern mit uns das Erwachen der Schöpfung, das Leben, Ostern.
Aber dazwischen – die Dornenkrone – fast unsichtbar.
Festgottesdienst, Familienfest, Eiersuchen, Kinderfreude, schönes Essen, Ostern.
Aber vorher – die Dornenkrone – kaum wahrgenommen.
Auferstehung, Leben, Ostern. Nicht zu haben ohne Dornenkrone – trotz aller Verdrängung.
Leid, Schuld und Tod gehören zu den Dingen, die wir verdrängen, die wir konsequent mehr und mehr ausblenden. Bei uns ist man satt und bleibt möglichst lange jung. Streit und Schuld werden nicht mehr thematisiert. Man geht sich aus dem Weg, man redet nicht mehr miteinander. Man trennt sich.
Wir haben keinen Platz mehr für Alte, Kranke oder Sterbende. Unsere Wohnungen sind zu klein geworden. Wir haben keine Zeit mehr, unsere Terminkalender zu voll. Wir finden Orte und Häuser, hinter deren Mauern all das verschwinden kann, was in unserem Leben keinen Platz mehr hat.
Leid und Tod – die Dornenkrone – Karfreitag. Muss das sein? Kann man sich das nicht auch ersparen? Wer will das noch hören?
Selbst im christlichen Bereich streiten sich sogar renommierte Theologen um die Bedeutung des Todes Jesu Christi. Für unsere Schuld gestorben?
Die Dornenkrone – O Haupt voll Blut und Wunden, voll Schmerz und voller Hohn. O Haupt zum Spott gebunden mit einer Dornenkron.
Schön ist das nicht. Aber es ist wichtig. Zum einen ganz wichtig für all die Verdrängten und Ausgegrenzten: die Kranken und die Alten, die Sterbenden. Für die, die keiner haben will, die Ungeliebten... Die dürfen sich sicher sein: Jesus Christus ist einer von uns. Er ist auf unserer Seite. Die Dornenkrone – ist auch stellvertretend für den gepiesackten von seinen Mitschülern gequälten Schüler... ich bin da, ich bin bei dir, ich weiß, was du mitmachst. Sie ist stellvertretend für jeden hungernden und gefolterten Menschen, für jedes Kriegsopfer – für jedes Menschenopfer, das wir angeblichen Zwängen bringen. Der gequälte Christus zeigt, wozu Menschen fähig sind, er schreit gegen das Unrecht, er schreit es hinaus: „Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun."
O Haupt voll Blut und Wunden - wichtig auch für uns, die wir immer wieder schuldig werden: da trägt einer das, was wir tragen müssten. Und das sieht nicht schön aus. Das Leid der Welt am Stamm des Kreuzes. Christus trägt all das ans Kreuz und überwindet Tod und Schuld, damit wir überwinden können.
Die Dornenkrone heißt: Im Leiden getragen bleiben. In der Schuld erkennen können, bekennen können. Versöhnt werden und uns versöhnen können. Auferstehen und leben.
Und erst dann wird es Ostern. Und nur so wird es wieder hell. Nach der Dornenkrone kommt das leere Kreuz, die Blumen, das Licht und die Schrift.
Es grüßt Sie in der Passions- und Osterzeit auch im Namen von Pastorin Iris Opitz-Hollburg
Heike Stijohann
(Gemeindebrief April 2011)