Liebe Leserinnen und Leser!
Eigentlich ging in dieser Geschichte von Anfang an alles schief. Ein Kind meldet sich an und die Eltern sind ganz und gar nicht darauf vorbereitet. Kurz vor der Geburt sind sie noch gezwungen, auf allerhöchsten Befehl eine anstrengende Reise anzutreten. Am Ziel findet sich nur eine im Grunde nicht zumutbare Notunterkunft. Eine Futterkrippe ersetzt die Wiege. Und eine abenteuerlich zusammen gewürfelte Gratulantenschar begrüßt das unter diesen widrigen Umständen Neugeborene im Leben. Und dieses Kind entkommt mit seinen Eltern schließlich nur knapp den Mordplänen eines ängstlich um seine Macht besorgten Königs.
Die Rede ist – Sie haben es längst gemerkt – von Jesus. Die Geschichte seiner Geburt – eine ganz und gar nicht perfekte Geschichte. Es wird zwar auch von Engeln erzählt, die mit ihrem Gesang dem Ereignis Glanz verleihen. Aber auch das findet weit draußen statt; das Gloria erklingt ausgerechnet für ein paar Hirten, Menschen am Rand der Gesellschaft.
In dieser Geschichte passt scheinbar gar nichts zusammen – die Armseligkeit der Umstände und mittendrin das göttliche Kind. Aber offensichtlich sollte das genau so sein. Gott legt gar keinen Wert darauf, dass Jesus in eine perfekte Umgebung hineingeboren wird. Mitten in ziemlich improvisierten Verhältnissen kommt er zur Welt. Die Weihnachtsgeschichte erzählt damit in aller Deutlichkeit von einem entscheidenden Wesenszug Gottes: seiner Fehlerfreundlichkeit!
Damit Gott Raum in dieser Welt findet, müssen die Umstände nicht perfekt sein. Im Gegenteil: Gott findet da Raum, wo gerade nicht alles perfekt geplant, durchorganisiert, gestylt und einstudiert ist. Wo wir nicht mit allem fertig sind, alles im Griff, alles unter Kontrolle haben. Sondern da, wo noch Platz bleibt für das Unerwartete, das Begeisternde, auch für das Fremde und Befremdende, in dem Gott uns begegnen will.
Mit dem Leben ist es ja genau so: das Leben ist nicht perfekt. Immer ist da etwas offen geblieben, misslungen, versäumt, verletzt. Und gerade diese Schattenseite unseres Lebens muss vor Gott nicht verleugnet und versteckt werden. Das Kind in der Krippe zeigt unmissverständlich: Gott hat keine Berührungsängste mit dem, was in dieser Welt und in unserem Leben wenig vorzeigbar ist. Gott kommt, damit das Zerbrochene geheilt werden kann. Gott findet Platz im Unvollkommenen.
Wie sieht wohl eine Gemeinde aus, die sich von der Fehlerfreundlichkeit Gottes anstecken lässt? Sie wird ein Ort sein, zu dem sich Menschen hintrauen, sich hingezogen fühlen, weil sie die Erlaubnis spüren: Hier darf ich sein, egal was war. Hier wartet ein Zuhause auf mich.
Advents- und Weihnachtszeit 2020 – bedingt durch die Corona-Pandemie werden Gottesdienste und Veranstaltungen in diesem Jahr anders als gewohnt stattfinden, einiges wird sogar entfallen müssen. Wie entlastend ist es da zu wissen, dass Gott unter uns Raum finden will, auch unter nicht perfekten Bedingungen.
Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern dieses Gemeindebriefes ein gesegnetes Weihnachtsfest 2020.
Ihre Karin Möller,
Pfarrerin
November 2020