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Matthäus 16, 26


 

Ich erlebe immer wieder, wie gut unsere Kirche gerade auch an den Wochentagen besucht ist.
Menschen haben Sehnsucht, in der Stille und Abgeschiedenheit der Kirche ihrer Seele Raum zu geben.
Die Seele, beinahe ein altmodisches Wort, umschreibt etwas für unser Leben unendlich Wichtiges. Die Seele, das ist eine vielschichtige, aber in jedem Falle lebendige Wirklichkeit in uns. Sie hat zu tun mit dem Atem des Lebens, den nach uralter biblischer Überlieferung, Gott dem Menschen in die Nase geblasen hat und der uns erst zu lebendigen Wesen macht.
Vom Spüren dieses Atems sagt Jesus in Luthers so wunderbar geprägter Sprache:

Was hülfe es dem Menschen,
wenn er die ganze Welt gewönne
und nähme doch Schaden an seiner Seele?

Diesem Satz eignet eine erstaunliche Unmittelbarkeit. Eigentlich weiß man sofort, was gemeint ist:
Dieses In-Gott-Atmen zu verlieren wiegt nicht auf, die Welt zu gewinnen.
Und doch ist es nicht so leicht, diese Einsicht für uns konkret zu machen.
Denn, die Welt gewinnen wollen ist ein ganz menschliches Verlangen.
Leben soll gelingen, soll gut und glatt gehen, soll Spaß machen, soll ohne dumme Zwischenfälle möglichst lange dauern. Was aber hat sich der liebe Gott gedacht, als er uns seinen Atem einblies? Und worauf zielt Christus ab, als er so eindrücklich sagt:
Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne, und nähme doch Schaden an seiner Seele?
Wenn ich auf diese große Frage mit nur einem einzigen Satz antworten sollte, dann möchte ich sagen:
Wehe, das In-den-Griff-bekommen-wollen des Lebens nimmt uns so in Beschlag, dass wir uns nicht mehr schwach und hilfebedürftig fühlen können.
Von der Leipziger Theologin Gunda Schneider-Flume gibt es ein kleines Büchlein mit dem schönen Titel Leben ist kostbar. Als Untertitel hat sie provokativ darunter geschrieben:
Wider die Tyrannei des gelingenden Lebens.
Damit meint sie:
Es gibt auch Leben, das nicht gelingt und es hat genauso seinen Wert.
Aber gerade die Zeiten, wo das Leben nicht gelingt, sind voller tiefer Erfahrungen Gottes.
Narben davon tragen wir alle an uns. Sie sind nicht schön, aber kostbar.
Die Seele wird reich in Zeiten, wo wir gefordert sind.
Das sind Zeiten, in denen Raum ist für den Atem Gottes.
Gerhard Hauptmann hat es so gesagt:
Es muss in der Seele etwas geben, ähnlich den Jahresringen der Bäume.
Ich finde es ein wunderbares Bild für das, was Jesus mit seinem schönen Satz vom Nichtverlieren der Seele gemeint hat.
Es muss in der Seele etwas geben, ähnlich den Jahresringen der Bäume.
Da gibt es dicke und dünne Jahresringe. Sie zeugen von fruchtbaren und von dürren Jahren. Aber dazwischen vollzieht sich das Geheimnis des uns geschenkten Lebens.
Und die dünnen Jahresringe sind möglicherweise sogar die aus dem besseren Holz.
Wohl uns, wenn wir in diesem Sinne der Seele Raum geben und den Atem Gottes in uns spüren.

Anika Buchert