„Seid wachsam, steht fest im Glauben, seid mutig, seid stark!“
Paulus beendet mit diesen Appellen seinen ersten Brief an die Gemeinde in Korinth. Zuvor hat er die Christen in Korinth ermahnt und zurechtgewiesen. Streitigkeiten über Fragen des Glaubens bestimmten den Alltag der Gemeinde. Auch unserer Gemeinde kann das passieren. Da nehmen uns Sorgen und Probleme gefangen. Wie können wir bei noch geringerem Kirchensteueraufkommen unseren Verpflichtungen bei der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen, Alten und Kranken nachkommen? Jetzt müssen wir mutig, wachsam und stark sein, stattdessen sind wir dabei, den Blick für die Aufgaben Gottes zu verlieren.
Diese Ermutigung beinhaltet eine doppelte Verantwortung:
Wachsam sein – gegenüber der eigenen Trägheit, der Müdigkeit und der Bequemlichkeit – gegenüber den Herausforderungen, Nöten und Ängsten der Zeit, in der wir leben. Sind wir dafür noch sensibel oder sind wir gleichgültig geworden – lässt es uns kalt?
„Steht fest im Glauben.“ Im Juni 2005 jährt sich zum 400. Mal die Einführung des reformierten Bekenntnisses in der früheren Grafschaft Lippe. Wir werden das zum Anlaß nehmen, uns an die Reformationszeit zu erinnern. Wir können es uns nicht leisten, die theologischen Grundlagen der Reformation immer mehr der Vergessenheit anheimfallen zu lassen. In der Refor-mationszeit hatte dieser Monatsspruch noch eine ganz andere konkrete Bedeutung für die Gemeinden.
Heute werden oft aus Bequemlichkeit die alten Traditionen über Bord geworfen. Auf dem Jahrmarkt eines religiösen Überangebotes sucht sich jeder seinen Heilsweg, alles ist möglich, alles wird geglaubt. Glaube wird immer mehr zur Privatsache erklärt. In dieser Zeit sind wir dazu aufgerufen, wachsam, mutig und stark zu sein. Wir stehen fest im Glauben, wenn wir jene reformatorischen Prinzipien, auf deren Basis die Kirche steht oder fällt, für uns wieder neu entdecken.
Gott allein sei Ehre und Ruhm ,
Christus allein,
die Bibel allein,
Glauben allein,
Gnade allein.
„Seid mutig, seid stark!“ Mut war schon immer eine wichtige Eigenschaft zu jeder Zeit, auch heute ist er gefragt. Wir sollen nicht nur mutig unsere eigenen Interessen vertreten und einfordern, sondern vielmehr die Interessen des Anderen, des Fremden, des Schwachen unterstützen.
„Seid mutig, seid stark“ - es geht um Zivilcourage. Mutig dürfen wir in einer Gesellschaft, die zunehmend mehr von Entsolidarisierung und Egoismus bestimmt wird, das Wohl des Anderen fördern.
Wer wachsam ist, der sieht die Gefahr rechtzeitig und findet einen Weg, die Gefahr zu umgehen.
Wer sich fest an Gott bindet, verliert nicht die Hoffnung, dass es noch einen Ausweg gibt.Wer entschlossen ist, verliert nie das Ziel aus den Augen.
„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ Der zweite Satz paßt nicht so ohne weiteres zu den Aufforderungen des ersten Satzes. Liebe macht oft blind und gerade nicht wachsam. Seid wachsam – seid aufmerksam – gebt aufeinander acht – und erkennt die Herausforderungen der Zeit. Aber über all unserem Tun soll die Liebe das Leitmotiv sein. Wer aus Liebe handelt, der kann vergeben und er gibt anderen eine neue Chance, der kann zuhören, verurteilt nicht. Bei aller geforderten Wachsamkeit, beim Glauben geht es nicht um Prinzipien, sondern immer auch um Menschen. Wer aus Liebe etwas tut, der segnet und wird zum Gesegneten.
Rainer Schling