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Lukas 12,13-21 (Erntedank 2009)

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen

„Noch ein" - „Haben" - und gleich darauf ohrenbetäubendes Geschrei. Da stehe ich wieder einmal mit meinen Enkelkindern an der Kasse.
Und alle Versuche, ihre Wünsche zu befriedigen mit dem kleinen Modellauto oder dem Baukasten-Bauarbeiter haben nichts genützt.

Angesichts der sich steigernden Energie der beiden bin ich versucht, nachzugeben. Weil ich hoffe „dann hat die liebe Seele Ruh".

Viel zu häufig versuchen wir, „die liebe Seele" mit Materiellem zu besänftigen - schon bei unseren Kindern und Enkelkindern. Wir bauen ihnen ein noch größeres Regal und besorgen noch eine größere Kiste. Füllen alles mit noch mehr Spielzeug und hoffen: ihr lieben Seelen, nun habt ihr doch wirklich genug für viele Stunden, nun gebt endlich Ruhe.

Es funktioniert nicht. Das wissen doch alle. Wir wissen doch genau, dass es nicht das 10. Modellauto ist oder das neueste Modell vom kindgerechten Backofen für die kleine Hausfrau. Kinder brauchen anderes und davon viel mehr.

Sie brauchen eine Beziehung: zu ihren Eltern, zu uns, zu anderen Kindern. Sie brauchen Liebe, Zeit und Zuwendung. Nähe und immer wieder ein „es ist alles wieder Gut"! - Vergebung.

Und wir Erwachsenen? Oft genug versuchen wir doch genauso unsere liebe Seele mit Materiellem zu befriedigen.
Wie schief das gehen kann, davon erzählt die Geschichte von dem reichen Kornbauern.
Sie steht im Lukasevangelium:

Sprecher:
Es sprach aber einer aus dem Volk zu Jesus:
Meister, sage meinem Bruder, dass er mit mir das Erbe teile. Er aber sprach zu ihm: Mensch,
wer hat mich zum Richter oder Erbschlichter über euch gesetzt?
Und er sprach zu ihnen:
Seht zu und hütet euch vor aller Habgier;
denn niemand lebt davon, dass er viele Güter hat.
Und er sagte ihnen ein Gleichnis und sprach:
Es war ein reicher Mensch, dessen Feld hatte gut getragen.
Und er dachte bei sich selbst und sprach:
Was soll ich tun? Ich habe nichts,
wohin ich meine Früchte sammle.
Und sprach: Das will ich tun:
ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen,
und will darin sammeln all mein Korn und meine Vorräte
und will sagen zu meiner Seele:
Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre;
habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut!
Aber Gott sprach zu ihm:
Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern;
und wem wird dann gehören, was du angehäuft hast?
So geht es dem, der sich Schätze sammelt
und ist nicht reich bei Gott.

Liebe Gemeinde,
schaffen und arbeiten, „noch" und „mehr", damit die liebe Seele Ruhe hat. Genau das wünscht sich der Kornbauer. Und ist damit mit seinem Wünschen gar nicht so weit weg von dem, was ich mir auch einbilde.

"Wenn ich einmal reich wär..." - dann könnte ich mir leisten, was mein Herz begehrt, und dann könnte ich auch für schlechte Zeiten zurücklegen. Dann käme doch auch irgendwann der Zeitpunkt, wo ich mich zurücklehnen könnte: so, liebe Seele, habe nun Ruhe...

Von diesem verführerischen Gedanken angetrieben, arbeite ich, kaufe ich, spare ich und plane ich. Investiere Zeit und Energie und Kraft in mein Planen und Tun. Trotzdem: irgendwie, so richtig glücklich und erfüllt bin ich von all dem, was meine Scheunen füllt, doch nicht.

Warum findet meine Seele denn keine Ruhe, obwohl ich äußerlich so viel habe!?

Unsere Kornbauer-Geschichte stößt mich mit der Nase mitten hinein. Vor lauter materieller Vor-sorge vergesse ich nämlich die Seel-sorge. Die Sorge für meine Seele.

Wir investieren und häufen auf - und bleiben arm. Weil wir nicht in die Gottesbeziehung investieren. Wir schuften, sparen, häufen vielleicht sogar Vermögen auf und werden doch immer ärmer.

Die Beziehung zu Gott spielt im täglichen Leben kaum noch eine Rolle. Aber auch die anderen Beziehungen zerbrechen: Paare streiten sich, weil man keine Zeit mehr füreinander hat.
Da gibt es den Mann, der immer mehr und länger arbeitet, damit es die Familie mal irgendwann besser hat, und dann ist die Frau mit den Kindern auf und davon.
Da gibt es die Frau, die für das Haus und das Auto und den Urlaub von morgens bis Abends mitarbeiten muss, und vor lauter Arbeit ihre Kinder nicht mehr aufwachsen sieht.

Da gibt es den Menschen, der sich scheinbar alles leisten kann, was er sich wünscht. Der die schönsten Frauen und interessantesten Leute um sich hat, aber im Grunde seines Herzens einsam bleibt, weil alle sein Geld, aber nicht ihn selber lieben.

Wie der reiche Kornbauer meinen wir oft, wir würden für unsere Seele sorgen, wenn wir uns materiell absichern: der große Vorrat soll uns unabhängig, frei und selbständig machen.

Auf niemanden mehr angewiesen sein - für sich selber sorgen können. Alles alleine können, alleine bestimmen, alleine stark sein - würde das nicht meiner Seele gut tun? Dann könnte mir keiner was - und alle können mich mal...

Ein Irrtum, den Dorothee Sölle in ihrem Gedicht „den Tod am Brot allein" nennt:

Sprecher:
„Den Tod, bei dem wir noch eine Weile weitervegetieren können, weil die Maschine noch läuft,
den furchtbaren Tod der Beziehungslosigkeit:
Wir atmen noch, konsumieren weiter,
wir scheiden aus, wir erledigen, wir produzieren,
wir reden noch vor uns hin und leben doch nicht.

Alleinsein und dann alleingelassen werden wollen;
keine Freunde haben
und dann den Menschen misstrauen und sie verachten;
die anderen vergessen und dann vergessen werden;
für niemanden da sein und von niemandem gebraucht werden;
um niemanden Angst haben
und nicht wollen, dass einer sich Sorgen um einen macht;
nicht mehr lachen und nicht mehr angelacht werden;
nicht mehr weinen und nicht mehr beweint werden:
der schreckliche Tod am Brot allein."

Äußerlich ist alles da - aber das Wichtigste bleibt außen vor, das sind wir am Ende los: Gottlos, lieblos, ehelos, kinderlos, beziehungslos. Und das, was wir uns am meisten wünschen - erreichen wir eben gerade nicht: Ruhe für die Seele. Frieden, nicht nur „Action" und gefülltes, sondern erfülltes Leben.
Wir müssten viel mehr für unsere Seele sorgen. Aber wie?

Dem reichen Kornbauern gibt Gott eine Antwort und diese ist zugleich der entscheidende Hinweis auch für uns:
Was wäre denn, wenn Gott diese Nacht noch meine Seele von mir fordern würde. Wenn ich dann noch einmal zurückblicken dürfte: was hätte mein Leben reich gemacht? War das, was ich geschafft, gemacht, geplant habe alles? War's das gewesen?

Zwischenspiel Posaunenchor

Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern;
und wem wird dann gehören, was du angehäuft hast?
So geht es dem, der sich Schätze sammelt
und ist nicht reich bei Gott.
Wahrscheinlich steht dann über dessen Todesanzeige: sein Leben war nur Arbeit.

Liebe Gemeinde,
Jesus provoziert: wozu war die ganze Arbeit, die Zeit, die Lebensenergie nutze? Der ganze Krempel gehört jetzt jemand anderem - was gehört dir? Was hast du von deinem Leben gehabt.

So geht es dem, der sich Schätze sammelt, und ist nicht reich bei Gott. zum erfüllten Leben gehört die Gottesbeziehung. Und wenn die erst am Ende des Lebens ins Spiel kommt, dann ist das für das Leben zu spät.

Der Glaube an Gott ist ja nicht nur die Versicherung für das Jenseits. Sondern diese Beziehung prägt und gestaltet das Leben.

Gott will, dass das Leben gelingt. Jesus erzählt diese Geschichte keinem Sterbenden, sondern einem, der sich mit seinem Bruder um das Erbe zanken will. Der gerade dabei ist, aus materiellen Gründen eine Beziehung zu zerstören, die zu seinem Bruder.

Jesus erzählt diese Geschichte, um zu zeigen: das Wichtigste im Leben sind die Beziehungen:

An erster Stelle die Beziehung zu Gott. Dieser Hinweis ist heute fast eine Provokation. Gott, der Glaube - ist nicht irgendetwas für irgendwann einmal, für später, wenn ich mal Zeit dafür habe - oder Lust dazu.

Oder: wenn ich mal den Kopf frei habe, dann kann ich ja auch mal über Gott und meinen Glauben nachdenken.

Oder - wenn ich erst einmal im Ruhestand bin und mich um sonst nichts mehr kümmern muss.

Nein, diese Beziehung - oder Nicht-Beziehung prägt mein Leben, mein Erleben und Handeln fundamental.

Gott bietet mir Liebe, Vertrauen, Geborgenheit, Orientierung, Hoffnung an. Er hat Zeit für mich. Ich kann die Fragen des Lebens, die Entscheidungen, die ich treffen muss unter seinem Blickwinkel treffen. Beten, fragend nachdenken: was würde er hier oder dazu sagen!? „Ist das nötig? Tut mir das gut? Zeig mir Alternativen. Gib mir deinen Geist."


Die Geschichte mahnt ganz brutal: Wenn wir diese Beziehung nicht pflegen oder sogar ganz und gar hinten rüber fallen lassen, versinken wir in unserem eigenen Sorgen.

Es kann doch nicht sein, dass wir unser ganzes Leben lang dem Glück nachjagen, und dann irgendwann feststellen müssen, dass wir es so gar nicht finden konnten.
Wir müssen uns nicht ständig um die Zukunft sorgen. Wir können unabhängig von Äußerlichkeiten leben und lieben!

Gott bietet uns die Beziehung zu ihm an. Wir dürfen seine Kinder sein, geliebt und geleitet, getröstet und ermahnt.

Wir dürfen aus der Vergebung leben: davon, dass Gott immer wieder zu uns sagt: es ist wieder gut, ich trag dir nichts nach - heute ist ein neuer Tag, mach's anders, besser!

Reich sind wir dadurch, dass wir geliebt sind. Paulus sagt einmal: Die Liebe hört nicht auf. Die Liebe bleibt. Sie trägt uns, so lange wir leben, und sie bleibt uns, sogar wenn wir sterben. Und dadurch, dass wir geliebt sind, lernen wir auch selbst, zu lieben. Das heißt: wir werden auch reich für andere.

Reich bei Gott zu sein, macht frei für den Nächsten: frei von Sorge, frei vom Kreisen um sich selbst, frei von der Angst, zu kurz zu kommen.

Dabei wird auf einmal ganz viel Zeit und Energie frei, der Kopf und das Herz werden frei für die Menschen, die um mich sind und die ich lieb habe.

Das will ich nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben. Sonst stehe ich wirklich eines Tages da - als Narr.

Uns ist soviel geschenkt, vertun wir nicht die Zeit damit, größere Scheunen zu bauen. Lassen Sie uns lieber mehr aus dem Vertrauen zu Gott und der Liebe leben.
Amen.

Rundfunkgottesdienst
am 4. Oktober 2009
aus der Evangelischen Kirche
Bad Meinberg

Pastorin
Heike Stijohann