Ansprache von Superintendent Holger Postma beim Friedensgebet – 28.09.19, 13:00 Uhr, Schulzentrum Horn
(es gilt das gesprochene Wort)
Der Friede stellt sich niemals überraschend ein.
Er fällt nicht vom Himmel wie der Regen.
Er kommt zu denen, die ihn vorbereiten.
Mit dieser indianischen Weisheit spreche ich Sie und Euch an als Menschen, die den Frieden suchen, die ihn vorbereiten und ihm nachjagen.
Ein Friedensgebet ist nicht gedacht als Ort für einen Vortrag über den Frieden, sondern stellt sich zu allererst in eine Bewegung des Friedens hinein.
Für Christen und Christinnen gibt es ein Urdatum des Friedens:
In der Bibel, im zweiten Testament hört sich das so an:
„Gott ist durch Christus selbst in diese Welt gekommen und hat Frieden mit ihr geschlossen, indem er den Menschen ihre Sünden nicht länger anrechnet.“ (2. Korinther 5,19)
Der Schöpfer dieser Welt hat kein Interesse an Rechthaberei, keine Lust an Rache und Vergeltung, an Verängstigung und Unterdrückung.
Gottes Interesse ist, dass Lebensräume für Mensch und Tier geschützt, geachtet und respektiert werden.
In der Geschichte der Religionen, Kirchen und Konfessionen, ist dieses Urdatum des Friedens oft in grausamer Vergessenheit geraten,…
Trotzdem bleibt diese Urdatum des Friedens, Gott sei Dank, gültige Grundlage für ein vergebendes und versöhnendes Leben.
Am Ende der Sklaverei in Ägypten, stand nicht das gelobte Land vor der Tür, sondern der Weg durch die Wüste dahin. Kein Weg ohne Hilfe. Es war ein Weg auf dem die Regeln des Miteinanders geklärt wurden und alle täglich zu essen und zu trinken hatten.
Frieden und Freiheit brauchen verabredete und anerkannte Grundrechte, damals wie heute.
Wir stehen hier, weil Frieden und Freiheit, bedroht werden.
Wir sind davon überzeugt, dass Frieden und Freiheit nur miteinander und niemals gegeneinander gelingen können.
Dort wo Menschen anfangen zu sortieren, auszusortieren, zu verunglimpfen, zu beschimpfen, da stehen wir auf, erinnern an die Unantastbarkeit der Würde aller Menschen.
Es gibt Umstände und Zustände über die man diskutieren muss, aber es gibt Grundrechte die unter keinen Umständen zur Disposition stehen.
Wir erheben uns nicht über andere Menschen, aber wir treten ihren unmenschlichen, lieblosen Ansichten entgegen.
Ich möchte weder gedanklich, noch inhaltlich, noch mit Worten Gleiches mit Gleichem beantworten,
ich möchte nicht in den Strudel unmenschlicher Bilder, Worte und Gedanken gezogen werden, …
ich will keinen Shitstorm anzetteln, sondern plädiere für einen Love storm,
Hass macht angreifbar - Liebe macht wehrlos,
Wer Hass säet erntet von mir (manchmal auch nur ein mitleidiges, aber immerhin,) ein „all you need is love and understanding“
Ich plädiere nicht dafür, die Gefährlichkeit rechtextremer Gesinnungen zu banalisieren, aber ich halte sehr viel davon, überzeugend andere Modelle des Umgangs und der Sprache vorzuleben.
Diffamierende Gesinnungsgenossen bestimmen viel zu sehr die Tagesordnungen der Politik und Kirchen
Die Verunsicherung in der Bevölkerung wird nicht in Talkshows überwunden, auch nicht durch gute und kluge Reden, …
Wisst ihr warum das Christentum am Anfang so erfolgreich war? Christenmenschen haben der Welt gezeigt, was es heißt zu lieben, zu vergeben, sich zu versöhnen, Mitmenschlichkeit, caritatives Verhalten, Überwindung sozialer Gräben, dass war die Errungenschaft, das Überzeugende der Botschaft Jesu.
Menschen suchen heute nach Antworten, nach Verhaltensmodellen, nach „wie können wir anders leben?“
Und vielleicht müssen wir sogar noch einen Schritt weiter zurückgehen:
Was führt Menschen dazu sich zu bewegen, suchen zu wollen, sich einzulassen auf Fremde und Fremdes.
Es geht glaube ich, nicht darum sich behaupten zu müssen,
Standpunkte dienen als Ausgangspunkte gemeinsamer Wege.
Wege brauchen Zeit, und sind Orte des Lernens, des Entdeckens für alle.
Niemand in Horn behauptet das das alles schön und leicht wäre, aber viele, die sich auf die Andersartigkeit anderer Menschen eingelassen haben erzählen Geschichten, die zu den schönsten ihres Lebens gehören.
Im Kern sind dies alles Geschichten die von Begegnungen erzählen, von Verständnis, von Zuneigung, von Liebe, von Hilfe, von schönen Erfahrungen, …
Lasst uns solche neue Geschichten suchen, sie mitschreiben, sie weitererzählen,
miteinander singen, miteinander kochen, miteinander tanzen, miteinander Musik machen, einander etwas zeigen, einander zuhören, miteinander arbeiten,..
Lasst uns anders sein als die, die Parolen zum Besten geben, die die Welt nicht braucht, die Angst haben zu kurz zu kommen, -
ihre friedlosen Seelen lassen sich nicht überreden,…
Unsere Aufgabe ist schön und schwer: ein deutliches und großes Übergewicht einer Gesellschaft weiter zu entwickeln, die nicht trennt und ausschließt, die nicht diffamiert, sondern im großen gemeinsamen WIR, Unterschiede friedlich respektiert, schätzen lernt und damit die Zukunft dieser Stadt, dieses Landes, Europas und der Welt gestaltet.
Ben Gurion soll gesagt haben: Frag nicht was dein Land für dich tut, sondern sag mir, was du für dein Land tun kannst.
Wir stehen heute ein für Frieden und Freiheit, für Menschlichkeit, für die Zukunft unseres Landes, wir wehren denen, die laut und ängstlich sind, wir suchen den Frieden, bereiten ihn vor und jagen ihm nach, ein Sport, der unseren Seelen und der Gesellschaft gut tun wird.
Wer Frieden sucht
wird den anderen suchen
wird Zuhören lernen
wird das Vergeben üben
wird das Verdammen aufgeben
wird vorgefasste Meinungen zurücklassen
wird das Wagnis eingehen
wird an die Änderung des Menschen glauben
wird Hoffnung wecken
wird dem anderen entgegenkommen
wird zu seiner eigenen Schuld stehen
wird geduldig dranbleiben
wird selber vom Frieden Gottes leben -
(Suchen wir den Frieden?)
(Schalom Ben-Chorin, 1913 - 1999)