In unseren Gemeinden ist das Erntedankfest ein besonderer Tag. Wir feiern schöne Gottesdienste mit Posaunenchor und Kindergarten, mit Suppenbuffet und Kirchkaffee. Der Altar wird geschmückt mit all dem was wächst. Wir haben vor Augen, was uns alles gegeben und geschenkt ist, die Schönheit und den Reichtum der Felder und Gärten. Bunt und vielfältig.
Aber Erntedankfest ist mehr als ein Sonntag im Herbst. Danken ist mehr als ein Danke-Schön.
Wer dankt, sieht die Fülle, nicht den Mangel. Das ist ein Blickwechsel, den man ein bisschen üben muss. Das Gegenteil fällt uns oft leichter: zu sehen, was nicht klappt, oder was man noch alles will oder zu brauchen meint. Danken hat das im Blick, was man hat. Dann merkt man zum einen, wenn man sich mal wieder aufregt über das, was nicht geklappt hat oder nicht da ist oder immer noch zu wenig ist. Und zum anderen schaut man bewusster an, was schon oder immer noch da ist und freut sich daran. Wo dieser Blickwechsel gelingt, da wächst die Freude am Leben. Wer für sein Leben und das was er oder sie hat, danken kann, lebt anders. Lebt zuversichtlicher, fröhlicher, getrösteter, gelassener. Hat mehr Kraft dafür einzustehen, dass auch andere haben was sie zum Leben brauchen. Dass Gutes und Gerechtigkeit wachsen kann.
Wer aus der Dankbarkeit lebt, weiß: das, was ich habe, ist alles andere als selbstverständlich. Das, was unsere Gesellschaft hat, wovon wir leben, ist alles andere als selbstverständlich. Dazu gehört nicht nur das täglich Brot - dazu gehört Sicherheit und Frieden, ein politisches System, das Kritik und Fragen und Veränderungen zulässt und den Anspruch auf Recht und Gerechtigkeit und Würde für alle aufrecht erhält. Es ist darum nicht selbstverständlich, weil es den selbstsüchtigen Impuls des Menschen gibt, alles für sich selbst zu wollen und zu bekommen. Geiz und Gier, Habsucht und Neid sind keine Fremdworte. Wer bekommt am meisten für möglichst wenig Geld... das ist schon zum Wettbewerb geworden. Wie schnell ist man dabei, in diesem Wettbewerb mitzumachen.
Der Monatsspruch für den Monat Oktober gibt uns mit klaren und eindeutigen Worten eine Aufforderung, anders zu leben: „Wie es dir möglich ist: Aus dem Vollen schöpfend – gib davon Almosen! Wenn dir wenig möglich ist, fürchte dich nicht, aus dem Wenigen Almosen zu geben!“ (Tobias 4,8)
Danken ist mehr als ein Danke-Schön. Und Erntedank mehr als ein Sonntag im Herbst.
Pastorin Petra Stork
Oktober 2019