Vor ein paar Wochen hatten wir Freunde zu uns zum Essen eingeladen. Bei der Vorbereitung stand ich schnell vor der Frage: Was mache ich? Und vor allem: wie viel?
Es soll ja schließlich für alle reichen. Alle sollen satt werden. Niemand soll sagen, es hätte nicht genug gegeben. Auf der anderen Seite will ich natürlich hinterher auch nicht Berge von Leckereien übrig behalten. Was also tun? Wie das rechte Maß finden?
In orientalischen Ländern geht man ganz einfach mit dieser Frage um. Denn dort zeigt sich das Maß der Gastfreundschaft an dem, was und wie viel aufgetischt wird. In der Regel erwartet einen ein üppiges Büffet mit vielen verschiedenen Speisen und Leckereien. Es scheint viel zu viel zu sein, als dass es Gäste und Gastgeber jemals aufessen könnten. Und das ist es auch! Denn: Die Größe der Gastfreundschaft zeigt sich daran, wie viel noch da ist, wenn alle satt sind! Es wird nicht kleinlich berechnet, dass möglichst wenige Reste übrig bleiben. Nein, es wird ganz bewusst großzügig aufgetischt!
Der jüdische Weisheitslehrer Jesus Sirach, von dem der Monatsspruch für Oktober stammt, fordert uns zu Opfern in diesem Sinn auf: Gebt ohne zu geizen! Ein Opfer im alten Israel galt als Geschenk an Gott und wurde als Zeichen großer Gastfreundschaft verstanden: Gott ist sozusagen der Ehrengast des Festmahls. Ihm wird zurückgegeben, was wir von ihm empfangen haben. Und das ist eben eine ganze Menge.
Zur Zeit des Jerusalemer Tempels wurden bestimmte Tiere oder Nahrungsmittel geopfert, die dann in Gottes Gegenwart verzehrt, verbrannt oder vergossen wurden. Heute haben sich unsere Opfer oder sagen wir besser unsere Gaben an Gott deutlich verändert. Und doch ist diese alte Tradition der Opfergaben bis heute auch in unserer Gemeinde lebendig.
An Erntedank zum Beispiel. Viele von Ihnen spenden für den Erntedankgottesdienst Früchte aus ihrem Garten. Farbenprächtig und bunt schmücken sie am Erntedank unsere Kirche. Das ist unsere Art Gott für die Fülle und die gelungene Ernte zu danken. Ein besonderer Vertrauensbeweis in Gottes Güte aber ist es, wenn ihm die „Erstlingsgaben“ geopfert werden. Denn wer die ersten Früchte gibt, die er geerntet hat, oder das erste Lämmchen opfert, das geboren wurde, der vertraut darauf, dass auch zukünftig genug da sein wird. Die Gabe an Gott wird nicht aus einem Überfluss heraus gegeben. Nicht das, was man eh noch übrig hat und dessen Verlust man quasi gar nicht bemerkt. Nein, es wird aus Dankbarkeit die erste empfangene Gabe gegeben. Sie wird „losgelassen“. Ernte – Dank eben!
Die Großzügigkeit, zu der uns Jesus Sirach hier auffordert, spiegelt etwas von Gottes eigener Großzügigkeit wider, der verschwenderisch und vorbehaltlos seine Barmherzigkeit und Liebe verschenkt! Wer geizt, ist ängstlich, ob ihm genug bleibt. Wer reichlich gibt, lässt los und vertraut drauf, dass Gott als Geber aller Gaben für uns sorgt.
Danken für das, was wir von Gott empfangen. Einen Moment innehalten angesichts der herbstlichen Fülle und Pracht in unseren Gärten und auf unseren Feldern. Und die geschenkten Gaben mit anderen teilen – all das feiern wir an Erntedank. Das sollten wir wieder einmal ganz bewusst tun – gern und reichlich und ohne zu geizen!
Daniela Brinkmann
Monatsspruch 0ktober 2014