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Psalm 65, 10


  

Du sorgst für das Land und tränkst es;
du überschüttest es mit Reichtum
Psalm 65, 10a


Damit in den Monaten Dezember und Januar die Wintersaat ausgebracht werden kann, muss der harte, ausgetrocknete Boden durch Regen aufgeweicht sein. Der Mitte Oktober einsetzende Frühregen ist für die gesamte Vegetation in Palästina notwendig.
Wehe, der Regen fällt aus.
Aber Gott wird alles segnen, Gott sorgt für das Land und tränkt es. Erntedank ist auch Dank an Gott für den nötigen Regen.
Am ersten Sonntag im Oktober feiern auch wir Erntedankfest. Im Juli haben wir - fast wie in Israel - oft auf Regen gewartet. Die Pegelstände der Flüsse gingen zurück, die Schifffahrt musste zum Teil eingestellt werden. Auf den Feldern litt das Getreide unter der Hitze. Die Hoffnung auf gute Ernteerträge schwand.
Und dann platzte für uns in Lippe der Regen mitten in die Ernte hinein. Die Mähdrescher mussten mit ihrer Arbeit warten, zu feuchtes Getreide muss nachträglich getrocknet werden, die hohen Energiekosten dafür schmälern den Gewinn.
Leben ist ohne Wasser nicht denkbar. Die Worte Regen und Segen klingen nicht nur gleich!
Aber der Glaube an einen segnenden Gott, der sich um die Natur sorgt, ist für viele heute nicht mehr fassbar.
Für den großen Liederdichter Paul Gerhardt war es 1653 nur eine rhetorische Frage: „Wer hat das schöne Himmelszelt / hoch über uns gesetzt? / Wer ist es, der uns unser Feld / mit Tau und Regen netzt?“
Er fühlte sich unter der Fürsorge Gottes geborgen. Tun wir uns mit dem Glauben deshalb so schwer, weil wir den unmittelbaren Zugang zur Natur immer mehr verlieren?
Beim Gang durch die Supermärkte können wir bei uns jederzeit das frischeste Gemüse und Obst besorgen. Jahreszeiten und regionale Angebote setzen keine Grenzen mehr. Das ganze Jahr strahlt uns dort eine Paradiesesfülle entgegen. Auf dem Lebensmittelsektor hat schon lange ein „global playing“ eingesetzt. Was kümmert uns die Sorge um den Regen zur rechten Zeit, wenn man als Verbraucher nur noch die „Qual“ der Wahl hat?
Erntedank feiern, Gott loben mit alten Psalmen und Liedern, sich besinnen auf den Zusammenhang von Regen, Saat und Ernte tut uns gut. Durch die Gammelfleischskandale aufgeschreckt, sollten wir das natürliche Wachsen der Früchte neu überdenken. Dazu gehört das Wissen, dass unser Leben etwas mit Wasser zu tun hat, mit dem Tautropfen, der von dem Blatt herunterfließt.
Wer Augen hat zu sehen, dem weist die Natur eine Spur zu Gott. Die künstliche Abhängigkeit von einer zum Teil verbrecherischen mafiosen Lebensmittelindustrie darf uns nicht die Erfahrung ersetzen, dass wir leben vom Regen zur rechten Zeit. Und aus dieser natürlichen Abhängigkeit heraus bitten wir Gott für das Land zu sorgen, es zu tränken und so mit Reichtum zu überschütten.
Für mich ist das keine altertümliche Naturromantik, sondern der Glaube, dass alle Dinge mit Gott zu tun haben. Er ist der Schöpfer, die Welt ist offen auf ihn hin.
Wir reden von Weltwirtschaft, von der Kaufkraft der Gesellschaft, vom Bruttosozialprodukt eines Landes und tun so, als läge Erfolg oder Misserfolg allein am menschlichen Handeln, an der Politik. Das Bild vom Regen, vom Tropfen, der vom Blatt herunterfließt, lenkt den Blick in eine andere Richtung, weist uns auf das elementare, lebensnotwendige, kostbare Wasser hin, mit dem wir gesegnet sind.
Paul Gerhardt kann uns diesen anderen Blick schärfen: „Ich weiß, dass du der Brunn der Gnad / und ewige Quelle bist, / daraus uns allen früh und spat / viel Heil und Gutes fließt.“
Rainer Schling