Dieser Hymnus auf Jahwe, den Herrn über Natur und Geschichte, bestimmte den Gottesdienst Israels. Gott war gegenwärtig. Er ist derjenige, der oben thront in der Höhe, der aber gleichzeitig herniederschaut in die Tiefe. Er ist der, der für Gerechtigkeit sorgen wird, er war es, der den Geringen aufrichtet aus dem Staube und den Armen aus dem Schmutz erhöht. Das war für die Israeliten Grund genug, Gott zu loben und zu preisen. Deshalb haben sie das Lied angestimmt. Und es ist bis heute ein Lied, das uns mit dem Volk Israel verbindet.
Es verbindet Menschen über alle Zeiten hinweg. Gottes Hoheit wird besungen, seine Güte und Freundlichkeit. Man sagt, die Psalmen 113 bis 118 gehörten zu dem großen Lobgesang, den die Jünger einst am Gründonnerstag nach dem ersten Abendmahl gesungen haben. „Und als sie den Lobgesang gesungen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg.“ Angesichts dessen, was in dieser Nacht auf Jesus zukommt, haben sie den Mut, jenen Lobgesang zu singen. In aller Todesfurcht singen sie beim Niedergang der Sonne in Jerusalem ein Lob und Danklied.
Ob wir die Kraft dazu haben?
Manchmal wird auch heute noch etwas davon deutlich. Wenn zum Beispiel bei einer Beerdigung das Lied „Nun danket alle Gott“ angestimmt werden kann. Gerade in solchen Situationen ist es wichtig, nicht in der Trauer und in dem Leid unterzugehen.
Das Danken und Loben lenkt unseren Blick auf das, was bleibt. Auf die schönen Erinnerungen, das gelebte Leben, und vor allem auf Glaube, Hoffnung und Liebe.
Denn Gottes Liebe verlässt uns nicht. Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang, bei Tag und Nacht, im Leben und im Tod.
Und auch wenn wir unser eigenes Leben bedenken, wird es uns bewusst werden, dass wir viel Grund haben, in das Lob einzustimmen. Auch wenn jeder „sein Päckchen zu tragen hat“. Gewiss, das ist so. Aber es macht einen Unterschied, wohin ich meine Sinne und meine Aufmerksamkeit lenke: Schaue ich danach, was mir fehlt, was ich nicht kann, was mir missglückt ist? Quälen mich die Fragen nach dem „Warum“, „was hab’ ich schon vom Leben“, „womit hab’ ich das verdient“ und ähnliche? Oder lenke ich meinen Blick auf das, wofür ich zu danken habe: was mir gelungen ist, wo Gott mich oder meine Lieben bewahrt hat?
Es wird auch für mich, für meine jetzige Lebensqualität nicht gleichgültig sein, ob ich lobe – oder ob ich jammere. Vielleicht denken wir, wir haben nicht alle gleich viel Grund zur Dankbarkeit, und deshalb zum Lob. Dennoch wünsche ich uns gerade diese Kraft und diesen Glauben. Der Gott auch in der Dunkelheit vertrauen und ihn dann loben kann, morgens, mittags und abends, vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang
Heike Benner