Wenn man - wie meine Frau und ich - alpine Bergtouren auf der Kanareninsel Teneriffa machen durfte, dann kann man aus vollem Herzen dem Monatsspruch für Juni aus Psalm 111 zustimmen:
„Groß sind die Werke des Herrn, kostbar allen, die sich an ihnen freuen“
(Psalm 111,2)
Unser Bergführer machte uns immer wieder auf die grandiose gewaltige Vulkanlandschaft, aber auch auf die frühlingshaft blühenden Pflanzen am Wegesrand aufmerksam. „Spektakulär“ war sein Lieblingswort. Dort fiel es mir nicht schwer, für das Schöne im Leben zu danken. Es stimmt, Gottes Schöpfung ist „spektakulär“. Traurig dran ist der, der das nicht staunend wahrnehmen und freudig genießen kann. Dazu muß man nicht im Urlaub auf ferne Inseln reisen, auch bei uns ist Gottes Schöpfung „spektakulär“. Genießen Sie z.B. auf Spaziergängen durch die Felder ganz bewußt die Natur. Trübe Gedanken sind dann oft wie weggescheucht, selbst wenn es regnet. Machen wir uns gegenseitig darauf aufmerksam, was die Schöpfung im Sommer für uns bereithält.
„Groß sind die Werke des Herrn, kostbar allen, die sich an ihnen freuen“
Leider machen wir uns das Schöne oft erst dann bewusst, wenn wir es nicht mehr sehen können. In schwierigen Zeiten, in Trauer und Leid, bei persönlichen Niederlagen sehnen wir uns nach besseren Zeiten. Es fällt uns leichter, Gott unser Leid zu klagen, als ihm im Gebet für all das Schöne im Leben, für seine Werke zu danken und ihn zu loben. Das liegt vielleicht daran, dass der Genuss des Lebens oft so schrecklich oberflächlich bleibt. Um sich an den großen Werken des Herrn zu freuen, bedarf es schon einiger Anstrengung. Es ist schon ein Unterschied, ob ich mich mit einer Seilbahn auf einen Berggipfel befördern lasse oder mit großer Anstrengung den Berg erst Schritt für Schritt besteige. Auf dem Gipfel angekommen, erlebe ich eine große Freude, die sich schwer beschreiben lässt. Der Seilbahnfahrer genießt auch die schöne Gipfelaussicht, aber seine Freude ist eine andere. Es hat wahrscheinlich etwas damit zu tun, dass ich es mir vorher nicht leicht gemacht habe, erst der Kräfte raubende Aufstieg, dann der Genuß der „spektakulären“ Aussicht vom Gipfel. Was mir wirklich kostbar im Leben ist, muß ich mir auch etwas kosten lassen. Kostbar ist mir die Welt, in der ich leben darf. „Groß sind die Werke des Herrn, kostbar allen, die sich an ihnen freuen“
Den Schöpfer für das Leben in seiner gesamten Bandbreite loben, heißt auch erkennen, dass alles, was uns begegnet, von ihm kommt. Nichts, was Menschen an Schönem oder Schmerzlichem widerfährt, geschieht ohne seinen Willen. Wir sind eingeladen, dies immer wieder neu zu bedenken und Gott einen Platz in unserem Leben zu geben. Gott durchdringt unser Leben – in der frühsommerlichen neuerwachten Natur, die uns mit tiefempfundener Dankbarkeit erfreut.
Rainer Schling