Liebe Leserin, lieber Leser!
Lach doch mal! Freu dich doch! Sei einfach glücklich! Gut gemeint sind solche Sprüche. Aber wenn mir ein Kloß im Hals steckt und überhaupt nicht nach Lachen und Glücklichsein zumute ist? Man kann mit den Traurigen weinen und mit den Fröhlichen lachen. Aber wer traurig ist, dem kann Fröhlichkeit nicht verordnet werden.
Wie kein anderer hat das Ludwig Thoma am Beispiel von Alois Hingerl erzählt. Der Dienstmann No. 172 am Münchner Hauptbahnhof wurde nach seinem Tod von den Engeln in den Himmel getragen. Dort wurde aus dem Dienstmann Alois der Engel Aloisius. Seine Aufgabe war es fortan nach genau festgelegtem Dienstplan zu frohlocken. Pflichtbewusst tat er das. Aber freuen konnte er sich nicht und schließlich knurrte er nur noch sein „Luja, sag I".
Freude lässt sich nicht verordnen, und mit Dienstplänen schon gar nicht. Aber man kann verzagte Menschen und verdrießliche Engel aufmerksam machen auf die guten Gründe, sich an Gott zu freuen.
Das tat Nehemia. Vor 2500 Jahren hatten er und seine Mitstreiter Großes geschafft. Gemeinsam hatten sie die Mauer um Jerusalem wieder aufgebaut. Jetzt war die Stadt wieder sicher und ein großes Fest sollte gefeiert werden. Aber nicht sofort. Zuerst ließ Nehemia einen Abschnitt aus der Bibel vorlesen, denn das war für ihn selbstverständlich. Tun und Vollbringen, etwas ins Werk zu setzen und auf Gottes Wort zu hören, das gehörte für ihn zusammen. Als die Menschen die Worte aus der Bibel hörten, fiel es ihnen wie Schuppen von den Augen: Wir haben gewirkt und getan, aber in all unserer Geschäftigkeit haben wir Gott vergessen. Sie sind berührt und Tränen fließen.
Nehemia nimmt die Betroffenheit der Menschen ernst, aber er macht ihnen keine Vorwürfe. Er sagt nicht: „Recht habt ihr, dass ihr weint, tut Buße und geht in Sack und Asche." Nehemia sagt etwas ganz anderes: „Weint nicht, esst fette Speisen und trinkt süße Getränke und sorgt dafür, dass auch die Armen genug zum Feiern haben. Die Mauer ist fertig. Heute ist ein heiliger Tag, ein Tag, der Gott gehört. Die Freude am Herrn ist unsere Stärke. Feiert!" Wenig später lässt Nehemia das mehrtägige Laubhüttenfest feiern und alle feiern mit. Es heißt: „Dies hatten die Israeliten seit der Zeit Josuas ... bis auf diesen Tag nicht mehr getan. Und es war eine sehr große Freude." Nehemia weiß: Glaube und Feiern gehören zusammen. Bis heute wird dies bei vielen Gelegenheiten deutlich. Tun und Handeln, Hören und Beten, Glauben und Feiern sind keine Gegensätze, sondern Ausdruck des Glaubens und Dank an Gott, dem wir unser Leben und unsere Lebensmöglichkeiten verdanken.
Es ist auch nicht mit erhobenem Zeigefinger gemeint, wenn Nehemia sagt: „Sorgt dafür, dass die, die nichts haben, auch essen und feiern können." Ein Fest des Glaubens zu feiern und für Brot für die Welt zu spenden sind zwei Seiten einer Medaille.Es ist wahr: Freude und Fröhlichkeit lassen sich nicht verordnen. Aber auch dieses stimmt: Manchmal muss man über seinen Schatten springen und einer Einladung folgen, auch wenn einem eigentlich gar nicht danach ist. Dann ist zu erleben, wie Tränen trocknen und trübe Gedanken ihre Macht verlieren. Man merkt: Ich gehöre dazu und nicht selten ist dann auch Schluss mit der Verdrießlichkeit, in die man sich vielleicht sogar eingerichtet und sich selbst und anderen das Leben schwer machte.
Seid nicht bekümmert; denn die Freude am Herrn ist eure Stärke!
Es gibt viele Gelegenheiten sich einfach über das zu freuen, was Gott uns täglich an Gutem tut. Ab und an dürfen wir das auch richtig feiern.
Viel Freude beim nächsten Fest und herzliche Grüße von
Iris Opitz-Hollburg
(Monatsspruch September 2013)