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Levitikus 19,18

 

Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; ich bin der HERR.

Levitikus 19,18

Die Aufforderung zur Nächstenliebe könnte gut zu den Zehn Geboten passen. Jedes Jahr, wenn wir im Katechumenenunterricht die Zehn Gebote behandeln, dann sind die Jugendlichen regelmäßig erstaunt, dass das Liebesgebot nicht zu den 10 Geboten gehört. Es ist vielmehr die Konsequenz, die Summe der Gebote.
Wenn ich die Gebote befolge, dann bin nicht nur ich geschützt, sondern auch mein Nächster. Beim Gebot „Du sollst nicht töten" ist es offensichtlich.
Aber hier geht es um mehr als eine Überlebensstrategie. Das Liebesgebot gibt Richtung und Sinn des Lebens an.
Aber geht das überhaupt: „Du sollst ... lieben." Was ist das für eine Liebe, Zuwendung und Anteilnahme, die man befohlen bekommt. Liebe wird durch Zwang in ihr Gegenteil verkehrt. Viele Ehen zerbrechen daran.
Liebe hat immer auch etwas mit Freiheit zu tun. Die 10 Gebote zeigen Wege zur Freiheit. Du bist frei, du hast es nicht nötig, du brauchst nicht zu töten, zu stehlen, Gerüchte in die Welt zu setzen, usw. Nur wenn ich frei bin, kann ich mich wahrscheinlich meinem Mitmenschen wirklich auch innerlich zuwenden. Auf Befehl geht das nicht! Und wer von uns wollte Anteilnahme, die nicht aus dem Herzen kommt, sondern bloß ein moralisches Gebot abhakt? Darauf können wir verzichten.
Aber woher bekomme ich diese souveräne Freiheit?
„ ... ich bin der Herr" - So stellt sich Gott dem Mose am brennenden Dornbusch vor. „Jahwe", sein rästelhafter Name heißt übersetzt „Ich bin, der ich bin". Wer es mit diesem Gott zu tun bekommt, der wird Liebe, Zuwendung und Anteilnahme in seinem Leben nicht vermissen - wer es mit Gott zu tun bekommt, ändert etwas im persönlichen Dasein ebenso wie im gesellschaftlichen Miteinander.
Aber immer dort wo Glaube und Liebe getrennt werden, da geht auch der noch so tief Glaubende in die Irre.
Wir leben in schwierigen Zeiten, einige ziehen sich in ihren konservativen Winkel zurück und scheinbar vergessen sie den Nächsten. Mich erschrickt die Weltfremdheit des Papstes. Die Diskussionen um die „Bruderschaft Pius X" - und mitten drin der Holocaustleugner Erzbischof Richard Williamson - macht auf das Dilemma aufmerksam.
Kein Mensch kann und will nur für sich allein existieren. Wenn beim Glauben die Maxime gilt: „Jeder ist sich selbst der Nächste und nur ich habe die Wahrheit gepachtet", dann herrschen sehr bald Eigennutz, Verschlossenheit und Angst, da stirbt etwas von dem ab, was uns menschlich macht. Deshalb ist es nicht gleichgültig, wie wir miteinander umgehen.
Das Gebot der Bibel will und kann keine Liebe erzwingen. Aber es mahnt: Nimm den anderen so ernst wie dich selbst. Wie du selbst hat er oder sie Wertschätzung, Respekt und Anteilnahme verdient. Schließlich gibt es uns Menschen nur als Mit-Menschen. Alle sind wir von Gott her mit gleicher Würde, gleichen Rechten und vielen Gaben ausgestattet. Wir sind alle seiner Liebe entsprungen und zur Liebe eingeladen; zur Selbst- und zur Nächstenliebe. Das ist eine Einladung, die uns allen guttut.
Also wir müssen uns entscheiden: Ängstliches Kreisen um uns selbst und gnadenlose Konkurrenz oder gleichberechtigte Wertschätzung, Sorge füreinander und Solidarität?
„Du sollst, kannst und darfst deinen Mitmenschen lieben, so wie du dich selbst lieben sollst, kannst und darfst."
Das sagt uns Gott.

Rainer Schling

Monatsspruch März 2009