Liebe Leserin, lieber Leser!
Es ist lange her und immer noch in guter Erinnerung: eine Woche in Burgund, in Taizé. Singen und Beten bis in die Nächte hinein, gemeinsam mit vielen jungen Leuten aus aller Herren Länder. Immer wieder erklang der Liedruf: „Meine Hoffnung und meine Freude, meine Stärke, mein Licht, Christus meine Zuversicht, auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht, auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht.“ Nach und nach, die Zeilen immer wiederholend, stimmten alle mit ein.
Daran muss ich denken, wenn ich das Bibelwort lese, das uns als Monatsspruch durch den Juni begleitet:
„Meine Stärke und mein Lied ist der Herr, er ist für mich zum Retter geworden.“ 2. Mose 15, 2
Es ist ein Lied aus längst vergangenen Tagen. Mose hatte es gesungen, als er Gottes Auftrag erfüllte: die Israeliten herauszuholen aus der Knechtschaft. In aller Eile waren sie aufgebrochen. Nachts, damit niemand etwas mitbekommt. Aber der Pharao hatte seine Soldaten hinter ihnen her geschickt. Jetzt standen die Israeliten am Ufer des Roten Meeres. Wie sollen sie das jenseitige Ufer erreichen? Da spaltet sich wie durch Wunderhand das Wasser. Die Israeliten erreichen trockenen Fußes das andere Ufer. Aber die Soldaten des Pharaos ertrinken alle. Wie kann man singen, wenn das eigene Leben den Tod der anderen gekostet hat? Wie kann man da singen und wie können da alle einstimmen?
Das Lied des Mose ist nicht das Lied der Sieger. Da waren nicht Soldaten vor Soldaten geflohen. Da hatten sich Familien auf den Weg gemacht, ein langer Zug von Flüchtenden. Eltern mit ihren Kindern. Männer und Frauen. Alte und Junge. Sie waren Sklaven gewesen und hatten in Ägypten geschuftet. Das wollte Gott nicht länger mit ansehen. Deshalb hatte er Mose bestimmt, Gottes Volk aus der Knechtschaft herauszuführen. Das besingen die Israeliten mit ihrem Lied. Das Lied des Moses ist das Lied der Befreiten. Auf dem Weg in die Freiheit wussten die Menschen Gott an ihrer Seite. Er hatte sich ihnen gezeigt, am Tag in einer Wolke und nachts in einer Feuersäule. Ihm waren sie gefolgt und hatten das ersehnte Ziel erreicht. Der Blick zurück macht Mut für die Zukunft. Gott hat uns gerettet. Darum vertrauen wir darauf, dass wir niemals ohne ihn sein werden.
„Meine Stärke und mein Lied ist der Herr, er ist für mich zum Retter geworden.“
Das Lied der Befreiten ist ein Danklied und wird zum Lied der Hoffenden. Das hatten die Israeliten bitter nötig auf dem weiteren Weg – 40 Jahre durch die Wüste. Wenn es durch die Wüsten des Lebens geht, ist es gut, Hoffnungslieder als Schätze des Glaubens im Gepäck zu haben. Der Liedruf aus Taizé ist mein Hoffnungslied:
„Meine Hoffnung und meine Freude,
meine Stärke, mein Licht,
Christus meine Zuversicht,
auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht,
auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht.“
Viele Anlässe zum dankbaren Singen wünsche ich Ihnen durch den Juni hindurch und grüße Sie herzlich
Iris Opitz-Hollburg
(Juni 2016)