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Auf der saftig grünen Wiese weidet ausgerechnet diese, eine Kuh, eine Kuh.

 

Schon seit vielen Jahrzehnten ist sie eines meiner Lieblingstiere und jetzt in der Sommerzeit häufiger draußen zu sehen und zu hören - zu meiner großen Freude auch hier in Lippe.
„Auf der saftig grünen Wiese weidet ausgerechnet diese, eine Kuh, eine Kuh. … Träumend und das Maul bewegend, schaut sie dämlich durch die Gegend, grad wie du, grad wie du.“
(Heinz Ehrhard)
Schon er hat es gewusst: so eine Kuh ist auch nur ein Mensch. Ja, wirklich. Sie werden staunen, wie viele Parallelen es da gibt zwischen Kuh und Mensch. Das wissen die Bauern schon lange und haben da viel zu erzählen:
Genau wie wir Menschen brauchen Kühe den richtigen Ton. Denn sonst verstehen sie nicht, was man von ihnen will. Und nur beim richtigen Ton werden sie produktiv. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass die Milchproduktion bei Mozarts kleiner Nachtmusik besonders hoch ist. Rockmusik ist für Kühe dagegen eher nicht anregend. Genau wie wir Menschen macht auch die Kuh seit vielen Jahren Karriere: in der Werbung mit lila Fell.
Klar: Die Kuh ist ein Nutztier. Aber sie ist mehr. Sie darf nicht allein über die Milch, die sie gibt, definiert werden. Sie soll wahrgenommen werden mit ihren Bedürfnissen – Stichwort artgerechte Haltung – sie darf nicht immerzu verzweckt werden. Sie ist ja auch nur ein Mensch. Und der kann ja auch nicht leben, wenn er immer nur funktionieren muss. Auch ich als Mensch brauche meine Auszeiten, neben Arbeitszeit auch Freizeit und Urlaubszeit. Unter den Menschen gibt es schon genug Rindviecher, die nur ans Arbeiten denken. Dabei sind wir doch alle mehr wert als das, was wir leisten.
Vom Mystiker Meister Eckart wird tatsächlich Gott, der Schöpfer, mit einer Kuh verglichen:
„Manche Menschen wollen Gott mit den Augen ansehen, mit denen sie eine Kuh ansehen. Sie wollen Gott lieben wie sie eine Kuh lieben. Die liebst du wegen der Milch und des Käse und deines eigenen Nutzen. So halten es alle jene Leute, die Gott um des äußeren Reichtums oder des inneren Trostes willen lieben. Die aber lieben Gott nicht recht, sondern sie lieben ihren Eigennutz.“                               (Meister Eckart)
Gott lässt sich von uns nicht gebrauchen wie Käse und Milch. Er ist ja kein Dienstleister, über den wir so wie wir es für unseren Fortschritt brauchen, einfach verfügen können. Dafür ist Gott vielmehr gänzlich unbrauchbar. Ich kann Gott auch auf frommem Weg nicht einfach machen. Es gibt keine kirchlichen Fabriken, die Gott oder göttliche Werke produzieren. Oder in denen er sich melken ließe. Irgendwo gekauft werden kann Gott auch nicht. Und das ist nur gut so, denn Gott möchte mir vielmehr auf einer anderen Ebene begegnen. Auf der Ebene, die mich als Mensch sagen lässt: „Ohne Gott will ich nicht leben – aber nicht, weil ich etwas von dir haben muss, sondern weil du du bist.“ Ohne Aufrechnerei. Sondern mit Achtung und Respekt vor dem einzigartigen Wesen Gottes und jedem seiner Geschöpfe.
So mancher Kuh werde ich diesen Sommer auf der saftig grünen Wiese sicher begegnen und wie immer gerne tief in die Augen blicken. Dies hat auch die Schriftstellerin Gertrud von le Fort getan und schreibt darüber: „Manchmal, wenn die Unrast unserer Zeit ihre Wogen in mein Leben schlägt – und welches Leben bliebe wohl von ihr verschont – tut es mir wohl, diesen gelassenen Geschöpfen in die großen Tieraugen zu blicken. Ein Zeitloses dämmert darinnen.“
(Gertrud von le Fort)
Und mit Blick in diese Augen kann ich sofort glauben, dass auch Gottes Güte zeitlos ist. Da staune ich und danke Gott dafür – und das wünsche ich auch Ihnen in dieser Sommerzeit.

Irmela Lutterjohann-Zizelmann
Juli 2016