Hauptmenü

Amos 5, 24

"Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach."
Amos 5, 24
Monatsspruch Juni 2002

Der Prophet Amos war das „soziale Gewissen“ seiner Zeit.
Damals, ca . 750 Jahre vor Chr. zur Zeit des Königs Jerobeams II., war der Wohlstand ausgebrochen. Es ging den Leuten in Israel gut, die Wirtschaft florierte. Es wurden ausgelassene Feste gefeiert und Gott wurde dabei auch nicht vergessen. Er wurde geehrt und es wurden ihm fette Dankopfer dargebracht. Und Amos trat bei den rauschenden Jahwe-Festen auf und rief dazwischen:

„So geht es nicht. Gott gefällt nicht, was ihr hier macht. Ihr habt keinen Anlaß so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Ihr sonnt euch in eurem Wohlstand und vergesst dabei die Armen. Aber Gott möchte, dass die Gerechtigkeit wie ein Strom durch das Land fließt.“

Amos versteht unter Gerechtigkeit „soziale“ Gerechtigkeit. Wenn jeder in Frieden auf seinem eigenen Land leben kann, keine Angst vor Enteignung haben muß und den Ertrag des Landes zu angemessenen Preisen verkaufen kann, und die Menschen sich an die Gebote, die ein gutes Zusammenleben regeln, halten, dann meint Amos, herrscht Gerechtigkeit.

Wie steht es mit dieser Gerechtigkeit heute bei uns im Sommer 2002?
Wo strömt die Gerechtigkeit durch unser Land und wo droht dieser Strom zu versickern?

In manchem ist der Strom der Gerechtigkeit bei uns noch immer sehr breit. Ich denke z.B. daran, dass man bei uns von Sozialhilfe zwar knapp aber immer noch menschenwürdig leben kann. Auch das ist eine wichtige Errungenschaft, die wir nicht niedrig einschätzen sollten. Denn zur Gerechtigkeit, die Gott will, gehört es dringend, dass alle eine Lebensmöglichkeit finden, unabhängig von ihrer Leistungsfähigkeit. Unsere „soziale Marktwirtschaft“ fußt auf diesem grundlegenden Gedanken der jüdisch-christlichen Tradition, die bis auf Amos zurück geht.

Und wir sollten die „soziale“ Gerechtigkeit gerade in einer Zeit, in der sie von verschiedenen Richtungen in Frage gestellt wird, verteidigen. Natürlich sind das auch politische Entscheidungen. Eines können wir aber auf jeden Fall dazu beitragen. Nämlich in unserem Umfeld und in unserer Umgebung die Neiddebatten beeinflussen. Wir können in uns selbst eine Haltung entwickeln, bei der wir den anderen ihren Besitz gönnen. Wir können uns darüber freuen, wenn es ihnen gut geht, und nicht neidisch darauf schielen, was die anderen mehr haben als ich selbst. Vielleicht entwickelt sich dann eine Stimmung, in der dem Sozialhilfeempfänger eben auch sein „unverdientes“ Einkommen gegönnt wird.

Aber Gerechtigkeit, wie Gott sie sich wünscht, ist nicht nur Verteilungsgerechtigkeit, es geht auch um Chancengleichheit.

Der Strom der Gerechtigkeit fließt bei uns innerhalb der Grenzen unseres Landes. In Zeiten der Globalisierung müssen wir auch nach der Gerechtigkeit in Europa fragen. Was es an Ausgleich gibt zwischen den ärmeren und den reicheren Ländern der europäischen Union, das ist noch ein beachtlicher Bach. Aber darüber hinaus? Wenn es da um Afrika geht z.B., bleibt nur noch ein winziges Rinnsal übrig. Aber auch das sind politische Fragen, die wir nicht einfach so entscheiden. Was können wir dazu beitragen, diesen Strom der Gerechtigkeit wieder in Fluß zu bringen? In Zukunft kann es nur in dem Maße wirtschaftliche und politische Gerechtigkeit geben, wie es sie weltweit, eben global, auch gibt.

Gerechtigkeit ist so lebensnotwendig wie das Wasser, Gott sorgt sich darum. Wenn das stimmt, warum sollten wir nicht diesen Urquell des Zusammenlebens bewahren: denn Gott sehnt sich danach, dass jeder frei von Furcht, in Frieden und Gerechtigkeit leben kann.

Jesus verspricht:
Selig sind , die hungert und dürstet nach Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden.“

Rainer Schling