„Du bist ein Gott, der mich sieht.“,
so sagt es voller Dankbarkeit zum ersten Mal Hagar, die mit ihrem Sohn Ismael buchstäblich „in die Wüste geschickt“ wurde, und dort einer Quelle, die ihr von einem Engel gezeigt wurde, ihr Leben und das ihres Sohnes verdankt. „Brunnen des Lebendigen, der mich sieht“, so nannte sie deshalb diese Quelle. Und die Worte „Du bist ein Gott, der mich sieht.“ sind fortan die Bezeichnung des Gottes, der dieses lebenserhaltende Wunder vollbrachte.
„Du bist ein Gott, der mich sieht.“,
so erlebte es Hagar, ein Gott, der nicht nur ihre Not, mit einem kleinen Kind der sengenden Hitze der Wüste ausgesetzt zu sein, sieht, sondern der diese existenzielle Bedrohung auch wendet, sodass Leben weitergehen kann, ja, vom Gefühl her, fast neu geschenkt ist.
„Du bist ein Gott, der mich sieht.“,
mit diesen Worten beginnen wir das Jahr 2023, denn es ist die Jahreslosung dieses neuen Jahres, vor dem wir stehen und noch nicht wissen, was auf uns zukommen wird. Doch für viele Menschen ist damit womöglich keine freudige Erwartung verbunden. Wie wird es weitergehen?, so wird angesichts steigender Preise, dem auch hier bei uns immer deutlicher werdenden Klimawandel, der Energiekrise und des weiter tobenden Kriegs in der Ukraine mit seinen völlig unnötigen Opfern gefragt.
„Du bist ein Gott, der mich sieht.“,
so nennt Hagar diesen Gott, der die Lage von Menschen sieht, und der für das sorgt, was zum Leben notwendig ist.
Folgen wir den biblischen Geschichten, dann ist dies eine grundlegende Eigenschaft Gottes, die sich durchzieht. Auch die Geschichte der Geburt Jesu ist geprägt davon.
„Du bist ein Gott, der mich sieht.“,
das sehen wir „alle Jahre wieder“ auch in der Geschichte, die sich im Stall von Bethlehem zuträgt und die zeigt, wie tief sich Gott gleichsam zu uns Menschen herunterbeugt, wie er sogar denen seine Nähe zeigt, von denen in der damaligen Zeit alle Abstand hielten.
„Du bist ein Gott, der mich sieht.“,
so hätten es in der Weihnachtsgeschichte nicht nur Maria und Josef, sondern auch die Hirten und später auch die „Weisen aus dem Morgenland“ sagen können, ein Gott, der sieht und nahekommt, der Neuanfang und Leben ermöglicht.
Ein Gott, der auch mich nicht übersieht – so feiern wir es jedes Jahr an Weihnachten. Denn auch zu uns kommt er, wie es das schon angesprochene Weihnachtslied „Alle Jahre wieder“ besingt:
„Kehrt mit seinem Segen
ein in jedes Haus.
geht auf allen Wegen
mit uns ein und aus.“
So lässt sich Weihnachten feiern, auch in diesem so herausfordernden Jahr, denke ich.
Und mit solchen Worten lässt sich ebenfalls in das neue Jahr gehen, in dem neben all dem Schweren, das vermutlich auf uns wartet, auch Gott seinem Namen, von der dankbaren Hagar gegeben, wieder alle Ehre machen wird: „Du bist ein Gott, der mich sieht.“
Uns und alle Menschen sieht dieser Gott, und wie sich selbst, verpflichtet er damit auch uns zum Hinschauen, zur Solidarität, zur Hilfe für unsere Mitmenschen. Dies ist ebenfalls ein Aspekt dieser Worte, aber auch des Weihnachtsfestes, bei dem wir allein schon durch die Kollekten und Spenden, die wir geben, Menschen in den Blick nehmen, die unsere Unterstützung brauchen.
Dass uns dies allen gelingt, voller Dankbarkeit diesem Gott gegenüber, der uns gesehen hat und sich zu uns auf den Weg gemacht hat, Weihnachten zu feiern, gestärkt und zuversichtlich in das Jahr 2023 zu gehen, und dabei die Menschen an unserer Seite nicht zu vergessen,
das wünscht sich
Ihr Pfarrer Matthias Zizelmann
November 2022